Wenn Feinde zu Freunden werden
Bundeswehrreservisten aus Deutschland besuchen zum 100. Jahrestag die Gedenkfeier um die Schlacht im französischen Mangiennes
„Still gestanden!“. 26 Paar Hacken knallen aufeinander, die Reservisten der deutschen Bundeswehr salutieren vor ihrem Oberstleutnant Peter Weyers. Die Männer aus der Nähe von Köln in Nordrhein-Westfalen stehen mit ausdruckslosen Gesichtern und durchgedrücktem Kreuz auf einer der Wiesen, die sich rund um das französische 400-Seelen Dorf Mangiennes erstrecken. Sie sind angereist, um der französischen und deutschen Soldaten und der Familien zu gedenken, die vor 100 Jahren in einer Schlacht auf den Feldern um Mangiennes den Tod fanden. Im Dorf, 15 Kilometer Luftlinie von Verdun, fand die erste Schlacht des Ersten Weltkriegs auf französischem Boden statt. Auf den grünen Wiesen, auf denen heute Kühe wie in einer Biomilch-Werbung weiden, und auf den Äckern, wo sich heute Apfelbäume unter der Last ihrer Früchte biegen, verloren am 10. August des Jahres 1914 insgesamt 120 französische und 234 deutsche Soldaten ihr Leben.
Grausame Kämpfe, neue technische Waffen
Grausame Kämpfe, neue technische Waffen Siegessicher waren die deutschen Soldaten am 2. August 1914 in der Garnisionsstadt Köln gestartet, um für Kaiser Wilhelm II. gegen den französischen Feind in den Krieg zu ziehen. Ergriffen von Abenteuerlust, hatten sich die Männer zu den Klängen des Volksliedes „Muss ich denn zum Städtle hinaus“ von ihren Frauen, Müttern und Kindern verabschiedet. Sie waren überzeugt, die Truppen des französischen Staatspräsidenten Poincaré schnell besiegen zu können. Spätestens zu Weihnachten würden sie wieder bei ihren Familien sein, hofften sie. Doch in der Schlacht auf den Hügeln um Mangiennes am 10. August 1914 offenbarte sich die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs. Die vernichtende Kraft der Maschinengewehre und der Artillerie führte zu erheblichen Verlusten auf französischer und deutscher Seite. Reserveleutnant Walter Uttech schrieb in diesen Tagen: „Der Krieg ist entsetzlich. Ich habe ihn mir zwar schlimm, aber nicht halb so entsetzlich vorgestellt, wie er ist. Unsere Verluste sind furchtbar.“
Ein neues Jahrhundert, eine neue Freundschaft
Heute, ein Jahrhundert später, haben sich die Verhältnisse zwischen Deutschland und Frankreich geändert. Oberstleutnant Weyers aus Köln glaubt, dass sich derartige kriegerische Auseinandersetzungen im vereinigten Europa nicht wiederholen werden. „Deutsche und Franzosen sind Freunde. Wir gedenken gemeinsam unserer Toten, wir trinken zusammen. Für uns ist es eine große Ehre, an den Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestage der Schlacht um Mangiennes teilzunehmen“, sagt er. Für die deutschen Reservisten ist es der erste Besuch in Mangiennes. „Der Kontakt ergab sich letztes Jahr bei einem Arbeitseinsatz des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge auf dem Friedhof Romage sous Montfacon und bei der Besichtigung des Schlachtfeldes von Verdun“, erzählt der Leutenant.
Jährliche Gedenkfeiern
Die Bürgermeisterin Suzanne Pierret, deren Großvater 1914 an der Front kämpfte, gründete 2011 die Gesellschaft «Mangiennes dans l’histoire ». Seitdem finden jedes Jahr im August ein Gottesdienst, Kranzniederlegungen, Theaterinszenierungen und ein Markt in Gedenken an die Opfer des Dorfes statt. „Seit einer Woche bereiten wir uns auf die Feierlichkeiten vor“, berichtet die Bürgermeisterin. Vom Kind bis zum Greis beteiligt sich die Bevölkerung von Mangiennes an den Gedenkfeierlichkeiten. „Das Erinnern hört nicht auf, aber es bedarf Momenten wie diesem, um die Emotionen zu bündeln und die Erinnerung wachzuhalten“, sagt Suzanne Pierret. Wenn heute die Marschtrommeln in Mangiennes erklingt, wenn die Soldaten auf ihren Pferden durch die schmalen Straßen reiten und deutsche sowie französische Soldaten im Gleichschritt durch die Gassen marschieren, kommen sie in friedlicher Absicht. Indem sie die Szenerie von 1914 nachstellen, halten sie für die Folgegenerationen die Erinnerung an die sinnlosen Todesopfer wach.
Jana Kugoth